Position 15 Grad 26
Minuten N
39 Grad 19 Minuten W
Wetter : bewölkt
gelegentlich leichte Schauer,
Wind NO , Seegang 1 bis
2 Meter
Unser Proviant an frischen
Lebensmitteln wird knapp. Frisches Fleisch, Hühnchen und Gulasch,
hatten wir zuletzt vorgestern. Knuspriges Brot vom Bäcker in Mindelo
ist längst vage Erinnerung. Michael, der Allesverwerter, vertilgte
tapfer die letzten trockenzähfaden Backwaren. 8 Äpfel reifen neben
sechs Zitronen und vier kleinen Melonen im aufgespannten Früchtenetz
über dem Salontisch. Nicht viel Vitamine für sieben Seeleute und
1040 Seemeilen bis zum Ziel.
1040. Eine magische Zahl.
Halbzeit. Bergfest. Die Luv -Crew feiert mit einem Bier, eigens tags
zuvor in froher Erwartung in den Kühlschrank gestellt. Auf See gibt
es sonst null Alkohol. Das nächste Bier wird erst wieder für St.
Lucia gekühlt. Mit dem Bier stoßen wir zum Abendessen an. Man muss
die Feste halt feiern wie sie fallen. Dazu gibt es Bananen.
Bananen haben wir noch
reichlich. Eine ganze Staude, giftgrün und unreif, wurde im vorderen
Duschraum aufgebaumelt. Langsam sollten die einzelnen Früchte gelb
werden. Zwölf Tage dauert die Segelreise in die Karibik, mal sieben
Crewmitglieder mal zwei Bananen. So war der Plan. Die Natur hat ihn
durchkreuzt. Erst dauerte es drei Tage, bis die erste Banane essbar
war, dann meldeten sich alle anderen ca. 150 Stück beinahe
gleichzeitig bereit zum Verzehr. Ganz übereifrig überreife Früchte
lösen sich vereinzelt von der Staude und fallen in den
Klobürstenbecher. Die werfen wir weg. Sonst keine.
Wir essen Bananen um
Mitternacht, zum Frühstück, Bananen zum Porridge, zum Kaffee, als
Nachtisch zum Abendessen, Bananen zur Abwechslung mal mit der
rechten, mal mit der linken Hand. Dennoch hinken wir dem sichtbar
voranschreitendem Reifeprozess hinterher, zumal Till sich standhaft
weigert, seinen fairen Anteil zu vertilgen. Er mag keine Bananen.
Seinem fastfoodgestähltem
Organismus hat er statt dessen eine Instantmahlzeit Pasta Bolognese
zugemutet. Heißes Wasser in den Plastikbecher, umrühren, fertig.
Auf dem Beipackzettel
steht, das angebliche Nahrungsmittel enthalte unter anderem „alpha
Tocopherol“. Till sagt: „Das ist bestimmt gut.“
Ein Reinfall ist die Idee
mit einer Suppe aus frisch gepulten Erbsen. Berge von Schoten stehen
im Markt zum Verkauf. Die Verkäuferinnen des afrikanischen Marktes
vertrieben sich die Zeit damit, sie zu pulen und die grünen Erbsen –
abgefüllt in vertreiben alten Wasserflaschen- zum Verkauf
anzubieten. Der Gärungsprozess setzt in den luftdicht
verschlossenen Flaschen schneller ein als man „Erbsensuppe“ sagen
kann. Die Lösung liegt auf der Hand. Wir pulen unsere Schoten
selbst, auf See, wenn gerade mal nichts zu tun ist. Drei Kilo des
Gemüses werden - in luftigen Papiertüten wohlgemerkt! - an Bord
verstaut. Aber irgendwie hatten wir immer was besseres zu tun, als
mit ner Schürze wie Marktfrauen im Cockpit zu sitzen und die kleinen
Kugeln aus den braunen Hülsen zu klauben. Gestern haben wir die
durchgeweichten Tüten mitsamt dem verschimmelten Inhalt den Fischen
zum Fraß übergeben. In diesem Klima halten Lebensmittel nun mal
nicht länger, als man „Erbsensuppe“ sagen kann.
Dir Kartoffeln riechen
auch nicht mehr gut und appetitlich sehen sie auch nicht mehr aus.
Daheim kämen sie ohne Bedauern auf den Kompost. Jetzt wird Labskaus
draus. Claus kocht, er erweist sich bei diesem Gericht als Experte
und erinnert daran, dass Labskaus ein traditionelles
Seeleuteresteessen war: „Vergammelte Kartoffeln, vergammeltes
Pökelfleisch, alte Zwiebeln.“ Gar so schlimm wurde es dann doch
nicht. Dazu gab es Rote Beete, Gewürzgurken und für jeden ein
Spiegelei. Die Eier werden auch bald knapp.
Heiko Tornow