Position
16 Grad 27 Minuten N
30
Grad 22 Minuten W
Wetter
: Mond im letzten Quadranten, leicht bewölkt. Wind NO 4 bis 5
Eggert
hält sein Ohr ans Achterstag. Die lange Stahlstange, die den 22
Meter hohen Mast davon abhält, unter Wind- und Segeldruck nach vorn
zu kippen, gibt ein jaulendes, quitschendes, unangenemes und vor
allem unvorschriftsmässiges Geräusch von sich. Der hohe Ton läßt
sich vergleichen mit dem Kratzen eines Fingernagels auf einer
Schultafel. Unten im Salon hört man es auch. Es kommt aus dem Mast.
Eggert vermutet, irgendeine der zahlreichen Umlenkrollen für die
vielen Leinen, die zu den Segeln führen, macht schlapp, hat einen
Defekt, läuft nicht mehr wie geschmiert und jetzt protestiert sie
gegen die schlechte Behandlung und jammert.
Segeln
vor dem Nordost-Passat ist Stress für alle Teile des Schiffes.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig...In
diesen vier Sekunden rollt die Luv von Backbord nach Steuerbord, und
wieder zurück. Nach links um 99 Grad, nach rechts um 98 grad. Nach
rechts deshalb nicht so weit, weil dass Großsegel das Schiff gegen
den Wind abstützt. Einundzwanzig, zweiundzwanzig,
dreiundzwanzig....21600 mal am Tag. Alle paar Minuten wirft eine
besonders hohe Welle, die sich nicht an die vom Wind vorgegebene
Richtung hält und quer zur See läüuft, die Luv um einige Grad
tiefer auf die Backe. Nach links um 99 Grad, nach rechts um 98 Grad.
Neben dieser lateralen Bewegung gibt`s noch die horizentale. Immer
mal wieder hebt eine Woge mit lärmendem Rauschen das Heck um bis zu
drei Meter in den Himmel, läuft gurgelnd unter dem Rumpf nach vorn
und hinterlässt ein ebenso tiefes Tal, in das die Luv- Bug voran-
hinunterglitscht.
„De
arme Lüd an Land.“, sagt der Seemann und bedauert damit die
Landratten, denen eine solch wackelige Welt naturgemäß frend
bleiben muss.
Heiko Tornow