Das angekündigte Seegewitter hatte es in sich. Gemäß den aktuellsten
Grib-Daten und unseren Wetterbeobachtungen hatte es zunächst den
Anschein, dass wir bereits auf der Rückseite der Gewitterzelle waren. Um
00 UTC löste ich in unserem bewehrten Wachzyklus Gerd mit seiner Wache
ab, ab 02.00 UTC waren Ulli und Steffi im Cockpit. Das Großsegel hatten
wir für die Nacht ins erste Reff gebunden, die Genua auf Backbord
ausgebaumt. Die Böen nahmen bei mäßigem Süd-Ost-Passat zu und es wurde
aufwändiger zu steuern. Trotz Vollmond war der Himmel nur eine tiefgraue
Wolkenschicht. Die schwarze See veränderte sich im Seegang, wurde
bockig und ruppig. Die Charisma tanzte auf den Wellen, dann nahm der
Wind zügig auf stürmischen Starkwind zu und wechselte die Richtung. Ich
kam in pechschwarzer Nacht zunächst nicht vom Steuer weg, musste dem
Wind nachsegeln damit die Segel nicht back standen.
Bei diesen Verhältnissen war es am besten, dass ich Ulli das Steuer
übergab und er zuverlässig den Kurs hielt, während Steffi im Cockpit
blieb. Es schüttete wie aus Kübeln und nur mit einem minimalen Restlich
waren Konturen zu erkennen. Ich nahm das Großfall von der Winsch am
Niedergang und das Großsegel sackte soweit es vor dem Wind ging, am Rigg
tiefer. Die Genua rollte ich mit gefierten Schoten ein. Der nächste
Gang über das Steckschott und Schiebeluk in die Navigation die
Decksbeleuchtung eingeschaltet, raus zum Mast das Großsegel gegen den
Winddruck runtergezogen (an einen Auffschießer war bei dem Seegang nicht
zu denken.) Mit Lösen des Bullenstander holte Steffi die Großschot
dicht und ich tuchte das Großsegel Bahn für Bahn auf. Wir lenzten von
Topp und Takel und pickten uns an der Steuersäule ein.
Das beeindruckende Szenario des "ausgeliefert seins" auf dem Ozean
intensivierte sich mit Blitzen und Donnern des Seegewitters. Nach
vergleichbaren Erlebnissen auf dem westlichen Atlantik zwischen den
Bahamas und den USA 2003 und 2012 war es nun zum dritten mal soweit die
Wache zur restlichen Crew in den Salon zu empfehlen. Ich arretierte das
Steuerrad und überlies die Yacht sich selbst auf hoher See. Wir
wetterten den Durchzug des Gewitters im geschützten Refugium der
Charisma ab.
Um 04:00 UTC war der Spuk vorbei und Andi hatte mit seinen
Wachpartneren Steffi und Sobollski die undankbare Aufgabe den
indifferenten Wind hinter der Gewitterzelle einzufangen. Seit 06:00 UTC
hat sich frischer Südwind durchgesetzt und wir sind wieder auf gutem
Kurs gen St. Lucia.
An Bord sind alle wohl auf und es gibt keinerlei Schäden. Die Crew der Charisma grüßt herzlich in die Heimat.