Wir sind in Rekordzeit – 19 Tage – von den Galapagos-Inseln in Hiva Oa angekommen. Das Segeln zu zweit war ein Vergnügen, allerdings
war ich nach 2 Wochen zweitweise so übermüdet, dass ich tagsüber Sandra - meine Ehefrau und „Kopilotin“ immer nach japanischen Touristen gefragt habe, die an Bord seien. Ich konnte Traum und Wirklichkeit über Stunden nicht auseinanderhalten. Wir mussten
teilweise über Nacht beide vollständig wach bleiben, um ständig den Autopiloten zu bedienen und andere Segel zu setzen. Das hat unsere Leistungsfähigkeit nach zwei Wochen dermaßen herabgesetzt, dass wir teilweise das Vorsegel eingerollt haben, nur unter Grossegel
und Gesan gelaufen sind und einfach nur geschlafen haben, um wieder fitt zu werden. Ansonsten macht man nur gefährliche Fehler, was zu zweit auf einem Boot einfach um jeden Preis vermieden werden soll.
So hatten wir nächtelang richtig Arbeit. Der Wind auf der Strecke war zu schwach und die Wellen zu hoch, so dass wir ständig von Leichtwindbesegelung
zur normalen Standardbesegelung hin – und hergewechselt sind. Da sind vor Hand zu setzen: Besanfock, zwei Parasailer, Gennacker, Besansegel.
Das Besansegel, obwohl kleinstes Segel, ist übrigens oft zu reffen, um insbesondere
die Besanfock oder den Gennacker mit genug Wind zu versorgen.
Nachts am einfachsten weil vom Cockpit aus zu reffen sind ausgebaumte Genua
und Groß. Am schwierigsten ist der Parasailor, den ich mittlerweile nur noch angetackert am Genuastag fahre. Das führt dazu, dass Horrorstories nicht mehr so leicht entstehen können und sich der Parasailor einigermaßen bändigen lässt. So schön das Segeln unter
Parasailor sein kann: zu zweit ist es auch durchaus gefährlich, zumal in der Nacht.
Am schnellsten waren wir ein paar Tage lang übrigens mit Gennaker und ausbaumter
Genua – zwischen 9 und 10 Knoten, wobei die Strömung kräftig geholen hat. Da unser Autopilot nicht in der Lage ist, bei Wind von mehr als 120 ° zu arbeiten, mussten wir vor Hand steuern. Der Wind wechselte um uns besondere Aufgaben zu stellen ständig zwischen
Stärke 12 bis 20 Knoten und Richtung 60 – 110 °. Für all diejenigen, die immer meinen, die Segelei sei angeblich immer so wunderbar: es war schlicht harte Arbeit bis zum Umfallen. Zu Amel ist zu sagen: eine Schande, ein Auslaufmodell als Autopiloten in ein
neues Boot einzubauen und es dann dem Kunden zu überlassen, das neue Modell später selbst zu bezahlen und einzubauen. Wenn schon ein Boot für weltweite Fahrt verkauft wird, wäre es doch nicht schlecht, man könnte auf der Barfußroute dann auch tatsächlich mit
Wind von hinten den Windmodus des Autopiloten nutzen. Gut, in Papeete werde ich auf eigene Kosten nachrüsten.
Dennoch: die Verkleinerung der Crew hat uns schneller gemacht. Zu zweit sind
wir noch nie so weit vorne in der Flotte überhaupt gewesen. Es ist wie in meinem „vorigen“ Leben, als ich eine Anwaltskanzlei führte: all das Personal oder auch Crew – nichts gebracht haben sie allesamt, außer Ärger. Ich habe gelernt: sofort handeln, nicht
abwarten. Beim Segeln wie auch sonstwo.
Was gibt es sont hier noch zu lernen? Nun, ich habe ein paar Mal die Menschen
die hier leben gebeten, hier für uns zu kochen. Ich habe es gut bezahlt, die Leute haben sich sehr Mühe gegeben, sozusagen meinen Beitrag zur Förderung abgelegener Regionen. Ich konnte bei dieser Gelegenheit sehr interessante Gespräche führen, die Menschen
hier sprechen ja alle französisch. Aber: es ist eine andere Welt. Ehrgeiz und auch Ansprüche der Menschen hier auf den Marquesas sind sehr niedrig, manche Segler, die schon seit Monaten hier sind meinen: zu niedrig. Auch beim Essen gibt es keine Besonderheiten
kulinarischer Art zu berichten. Das berühmte Ferkel in Banenenblättern eingegraben im Sand: das gibt es hier vielleicht schon, habe aber noch niemanden getroffen, der das tatsächlich erlebt hat. Wenn man sich die Häuser der Menschen vor allem von innen anschaut,
wird man sehr nachdenklich.
Die Natur hier ist grandios, wir waren z. B. baden in einem kleinen See und
über uns ein etwa 80 Meter hoher Wasserfall, ein einmaliges Erlebnis mitten in dichten tropischen Wald.
Wie immer ist die ständige Feuchtigkeit und der mehrmalige schwere Regen täglich
aber eine Bürde, die auf Photos nicht zu vermitteln ist, weswegen wohl auch niemand so direkt davon spricht. Wie auch die ganzen Sandflöhe und andere Tiere, die einen Aufenthalt am Strand fast unmöglich machen, der jedoch auf Photos an Schönheit kaum zu überbieten
ist. Viele Internet-Beschreibungen über die angeblich so paradiesischen Zustände kann ich – wie übrigens alle sonstigen nicht ARC- Segler hier in der Bucht, mit denen ich spreche – nicht teilen. Man muss verstehen: Vielleicht dient das Internet ja auch vielen
nur als Medium für Anerkennung und völligen Anpassung. Also wiederholt man die Südsee-Klischees.
Schönfärberei ist mir jedenfalls fremd, eine kurze Beschreibung meiner Gedanken
und Eindrücke soll genügen um zu verstehen, was auf so einer Weltumsegelung wirklich passiert. Bei den meisten kommt die ehrliche Erkenntnis (manche „trauen“ sich auch es zu formulieren): man merkt, so viel anders und so grossartig interessant ist die Welt
gar nicht. Segler fragen nach Arbeit und Geld, die „Eingeborenen“ sind eher apathisch und ohne jegliche Motivation. Aber auch hier geht es um Geld. Es ist überall immer an der Grenze zur Unzumutbarkeit „versifft“, in den meisten Geschäften und Restaurants,
wenn man den Namen überhaupt gebrauchen möchte, ebenso. Das klingt hart – entspricht jedoch den Tatsachen. Zu erwähnen auch hier wieder die vielen herrenlosen Hunde; ein teilweise erschreckendes Bild der Gleichgültigkeit ihnen gegenüber bleibt.
Wie dem auch sei: es fällt auf, dass seit Panama die Menschen immer dicker
werden, wenn man das sagen darf. Der hervorragende Fisch, den es hier billig gibt, scheint nicht schuld zu sein. Auch nicht das Obst und das Gemüse, das hier bestens gedeiht. Vielmehr die Ernährung aus den Versorgungsschiffen, die alle drei Wochen kommen.
So sagen mir das jedenfalls die Leute, die hier leben und es selbst bedauern, ihre Ernährungsgewohnheiten auf das Essen von Burgern und Fritten und fetten Sossen umgestellt zu haben.
Es gibt also viel zu tun in diesem Teil der Welt, es kann so nicht bleiben,
denkt man. Doch es war schon wohl lange Zeit so und es wird auch so bleiben. Das muss man wohl so hinnehmen, obwohl man gerne einiges ändern würde.
Morgen fahren wir weiter in das Tuamotu – Atoll, dort werden wir in Rangiroa
ankern. Wir haben hier zwei Tage zusätzlich in der Bucht von Nuku Hiva verbracht, um dem Katamaran Kristal zu helfen, der Generatorprobleme hatte. Bei der Gelegenheit ein österreichisches Ehepaar kennengelernt, das schon seit Monaten in der Bucht hier ankern
und das, was ich heute geschrieben habe, vollständig unterschreiben könnten. Sie sind ebenfalls auf Weltumsegelung, wenngleich nicht so schnell, da sie sich immer wieder etwas durch Wartungsarbeiten auf anderen Yachten dazuverdienen woollen.
Das ist hier nicht schwierig: seit Panama gibt es praktisch für Yachten keine
Service-Dienstleistungen mehr.
Wir starten morgen früh nun gemeinsam mit Kristal, nachdem das Problem behoben
ist. Bin gespannt, wie es sich in einem Atoll ankert, überhaupt ist die Welt der Tuamotos eine neue, einmalige Welt, die allein schon die Reise wert ist, die wir bisher hinter uns gebracht haben. Von hier bis zu Rangiroa sind es ca. 500 Meilen, also ein kurzes
Stück im Vergleich zu den Strecken, die wir hinter uns haben.
Im Vergleich zu den Marquesas gibt es dann außer Palmen und einem Atoll nichts
zu sehen, dafür spielt sich umsomehr unter Wasser ab. Wir werden also tauchen gehen.
Ich bin sehr froh, dass ich bislang außer dem zu ersetzenden Alternator und
einer von mir praktisch täglich zu reparierenden Bilge-Pumpe sowie einer etwas „angefrressenen“ Genua ( mit speziellem Tape am Unterliek „geflickt“) keine weiteren Ausfälle hinnehmen musste. Der vorsorgliche Impellerwechsel am Generator verlief problemlos.
Viele Grüsse von der Solo
Euer Skipper Christoph