Lei Lei - 19. Tag auf hoher See - Sturmfalke
In der vergangenen Nacht haben wir Bekanntschaft mit einem Squall gemacht. Was zuerst aussah wie eine harmlose Regenwand hat sich dann in der Dunkelheit doch unangenehm bemerkbar gemacht. Das Unangenehmste war, dass der Wind gleichzeitig von allen Seiten kam und der Parasailor damit nicht mehr zurecht kam. Dazu gesellte sich später noch ein Gewitter, das wir aber glücklicherweise nur aus der Ferne wahrgenommen haben. Nachdem der Wind weiter zunahm, haben wir am Morgen den Parasailor eingeholt. Inzwischen rollten riesige Wellenberge an, die die Arbeit vorne an Deck erheblich erschwerten. Es bläst inzwischen mit 26 Knoten, gerade noch rechtzeitig gerefft. Der Mannschaft ein Lob, es war ein sauberes Manöver. Das Aussteuern der Wellenberge ist Schwerstarbeit, da jede Welle mit Gewalt versucht das Heck auf die Seite zu schieben. Ich denke morgen werden alle Rudergänger Muskelkater haben.
Es sind nur noch 80 Seemeilen bis zur Ziellinie. Der Wind bläst uns noch schneller Richtung Pigeon Point, er hat auf 30 Knoten zugelegt. Gerade das richtige Wetter für Sturmfalken. Ein solcher hat sich nähmlich gestern abend zu uns gesellt und mit waghalsigen Flugkunststücken versucht irgendwo auf der darhinrasenden und schwankenden "lei lei" zu landen. Zuerst saß er auf dem Radar, das war aber zu glatt, dann fand er kurzzeitig seinen Platz im Parasailor, der wiederum wollte das nicht und hat ihn hinauskatapultiert. Zu guter Letzt fand er am Mast ein halbwegs geruhsames Plätzchen für die Nacht. So saß er fern der Heimat, rundherum Hunderte Seemeilen ohne festen Boden, nur Salzwasseer und dann, eine glückliche Fügung, es begann zu regnen und so konnte er sich das Gefieder putzen und dabei Flüssigkeit zu sich nehmen. Inzwischen sitzt er am Heck auf dem Rettungsring und sieht uns beim Frühstücken zu. Wenn da nur der verdammte Hunger nicht wäre. Kurz entschlossen schwingt er sich in die Lüfte und bändelt mit einem Artgenossen an - dachten wir. Weit gefehlt, es war ein tödlicher Angriff und der Festschmauß fand zuerst auf meinem Backbordplotter (jetzt blutverschmiert) und dann zwischen den Beinen von Rudergänger Rudi statt. Also, ich erzähle hier keine Märchen!
Die letzte Positionsmeldung von heute mittag lautet: 34 Platz! Wir haben uns seit Tagen rasant verbessert, doch damit wird nun Schluß sein. Bei diesen Bedingungen machen alle Racer richtig Meilen gut - wir werden gerade von "Challenger 1" überholt und "Blonde Moment" und "Alice" kleben uns hartnäckig an den Fersen. Ich denke bis zum Ziel werden wir der einen oder anderen Yacht noch den Vortritt lassen müssen, aber damit können wir leben.
Viel wichtiger wird die Frage sein, wie sehen die Sichtverhältnisse bei unserer Ankunft aus. Die erst kürzlich erworbene Navionics Seekarte für die karibischen Gewässer zeigte am Plotter nur Leere. Ein Vergleich mit der Mittelmeerkarte zeigte dann, das die wesentlichen Dateien nicht aufgespielt waren. Mein Lieferant hatte selbst keine Zeit die SD Card zu laden und hatte daher seine Frau beauftragt das zu tun ..... Wir machen also Landfall in karibischen Gewässern ohne elektronische Seekarte. Das ist genau nach meinem Geschmack.
Auf den letzten Meilen zeigt uns der Atlantik noch mal so richtig was er kann. Ich habe gerade genug damit zu tun, dass es mich nicht von meinem Navigationsplatz reisst. Die gesamte Crew ist ausschließlich damit beschäftigt das eigene Körpergleichgewicht nicht völlig zu verlieren. Nur der Falke sitzt relativ ruhig und satt neben Rudi und sieht ihm zu wie er am Steuerrad akrobatische Übungen macht.
"ARC Finish Line, ARC Finish Line, ARC Finish Line this is lei lei, lei lei, lei lei, we are approaching Pigeon Island which is 2 miles ahead of us".
"lei lei this is ARC Finish Line, welcome to the Caribian waters."
Autor: Christian
letztes Etmal: 176 sm
Position (12:00 UTC): 14°09,3'N 059°13,8'W
zurückgelegte / verbleibende Meilen: 3039 / 100
Position (12:00 UTC): 34 overall
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