Gestern Abend haben wir uns verabschiedet mit der Aussicht auf die heutige Strategie. Über die haben wir relativ lange gegrübelt, dazu die Wetterprognose der ARC im Detail zerlegt und die PredictWind Vorhersage Stunde für Stunde analysiert.
Bei dem groben Ergebnis waren sich alle, Crew wie Skipper, einig - wir wollen wie auch gestern schon lieber nach Süden als nach Norden. Denn im Norden wartet und warnt immer noch ein Sturm. Nach Regen kommt zwar bekanntlich Sonnenschein (in unserem Fall der Passatwind, der uns nach St. Lucia bringen soll). Allerdings würde es im Norden viel länger (ca. zwei Tage) länger dauern, bis uns dieser dort erreicht.
Also halten wir es mit dem Song "ab in den Süden, der Sonne hinterher, hey jo (Jo) was geht...?"
Das Problem ist allerdings aktuell noch der Wind bzw. dessen Richtung. Denn der Wind kommt aktuell und ungewöhnlicher Weise noch genau aus Süden und somit direkt auf uns zu. Das kann kein Schiff der Welt segeln. Also müssen wir uns entscheiden, ob wir lieber nach Süd-Westen fahren, damit aber tiefer in die Flaute kommen, oder nach Süd-Osten, wo uns der Passatwind früher erreicht.
Wir haben uns zunächst für den Süd-Osten entschieden. Das braucht allerdings mentale Stärke, denn dieser Kurs führt uns wieder von unserem Ziel weg. Und das, nachdem wir kurz vorher die magischen 1.000 Meilen geknackt hatten und nur noch 996 Meilen Restdistanz angezeigt wurden...
Sollen wir nun wirklich wieder zurück fahren, erneut über 1.000 Meilen haben, um sie dann morgen wieder zu unterschreiten? Das wäre mal ein neuer Rekord. Wir arbeiten dran, ihn zu brechen.
Aber keine Sorge, wir fahren nicht einfach stur nach Süd-Ost, nur ein paar Stunden. Denn zum Glück gibt es beim Segeln die sogenannte Wende. Bei einer Wende wird die Fahrtrichtung geändert und das Segel auf der anderen Seite gesetzt, um dann in die gespiegelte Gegenrichtung weiterzufahren. Wenn wir also vorher nach Süd-Osten gefahren sind, fahren wir nach einer Wende nach Süd-Westen.
Dieses Wende-Spielchen wiederholen wir alle paar Stunden, um uns im Zickzack gen Süden runter zu bewegen bis zu dem Punkt, an dem der Passatwind einsetzt.
Die ersten Ausläufer bzw. Vorboten des Windes sind nach neustem Stand schon für Samstag Vormittag vorhergesagt. Wir überprüfen das natürlich morgen Früh mit dem nächsten Wetterabruf noch mal, glauben aber, die richtige Strategie gefunden zu haben, um spätestens ab Sonntag wieder voll auf Zielkurs zu sein. Danach sind dann auch erste Hochrechnung über unser ETA (= estimated time of arrival, die geschätzte Ankunftszeit) möglich.
Aktuell sind wir auf Süd-Ost Kurs und genießen den Anblick des fast noch Vollmondes, der sich zur Abwechslung mal an unserer Backbord-Seite zeigt statt wie sonst immer achtern aus (= nach hinten raus). Der Mondschein spiegelt sich im Wasser und beleuchtet Horizont wie Umgebung als hätte jemand über uns eine Lampe angeschaltet. In dem Licht reicht der Blick noch Meilen weit, Konturen auf dem Wasser voraus und Wolkenbilder über uns sind klar erkennbar. In ein paar Stunden machen wir die nächste Wende, doch bis dahin wird der Mann im Mond sein Lichtlein für heute Nacht ausgeknippst haben. Wir sehen uns morgen wieder.
Good Night!
Katrin
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