Die Nacht vom 24. auf den 25. November 2023: Eine stille Nacht unter dem Sternenhimmel
Eine weitere Nacht bricht an und der Wind bringt uns mit einer Geschwindigkeit zwischen 6 und 8 Knoten weiter südwärts. Es wird gesagt, dass, wenn man den Atlantik überqueren möchte, man so lange südlich segeln sollte, "bis die Butter schmilzt".
Und genau das ist auch unser Plan.
Leider gab es diese Nacht eine kleine Herausforderung: Unser AIS-System, das normalerweise die Schiffe in unserer Nähe verfolgt, schien nicht zuverlässig zu funktionieren. Gestern hatten wir bereits festgestellt, dass das Boot "Emily" nur
sporadisch auf dem AIS auftauchte und dann wieder verschwand. Peter, unser Technikexperte an Bord, vermutete, dass dies auf Probleme mit deren Energiesystem zurückzuführen sei, da auch das Bootslicht von "Emily" gelegentlich erlosch.
Es stellte sich heraus, dass es an unserer nun recht weiten Entfernung von der Küste lag. Ab sofort haben wir keinen Zugang mehr zu Landdaten und müssen uns ausschließlich auf unsere eigenen Antennen verlassen. Unser AIS-System kann nur
noch Boote innerhalb eines Radius von etwa 5 Meilen erkennen. Um unsere Sicherheit zu gewährleisten, haben wir deshalb die Ansicht im Cockpit geändert und sehen nun die AIS-Daten und außerdem die AIS-Daten mit einer Radar-Überlagerung. Dies ermöglicht es uns,
unsere Umgebung optimal zu überwachen.
Dennoch fühlte sich Anna, als sie die Nachtwache übernahm, etwas unsicher über die neue Situation. Um ihre Bedenken zu mildern, erklärte sich Peter bereit, im Salon zu übernachten, unserem Wohnzimmer an Bord. So kann er im Notfall schneller
reagieren und Anna zur Seite stehen, wenn sie in eine unvorhersehbare Situation geraten würden. Gott sei Dank ist dies nicht geschehen.
Als ich um 3 Uhr meine Schicht übernahm, war die Nacht wieder von einem hellen Mond erstrahlt. Weit und breit war kein anderes Schiff zu sehen. Es ist erstaunlich, wie sich die Schiffe, obwohl wir mit etwa 200 anderen Booten gestartet sind,
so schnell im Ozean verlieren. Das Meer ist einfach zu groß und die möglichen Routen unendlich. Es ist deshalb schon fast ein Zufall, wenn sich unsere Wege mit anderen Teilnehmern der Regatta erneut kreuzen.
Ein neuer Tag auf der Vitamin Sea
Der Himmel erstrahlt heute Morgen wieder in einem satten Blau, kaum eine Wolke trübt das Bild. Die Wind- und Wetterbedingungen sind nicht allzu herausfordernd, aber das stört uns nicht. Im Gegenteil!
Ein Ausflug in die Bordverpflegung
Heute steht eine Überprüfung unserer frischen Vorräte auf dem Programm. Dabei habe ich entdeckt, dass sich Schimmel bei einigen Paprikaschoten breitgemacht hat. Das sollte eigentlich nicht passieren.
Die Bordverpflegung ist tatsächlich ein wichtiges Thema, insbesondere bei so einer langen Passage, wie unserer Atlantiküberquerung. Unsere Vorräte müssen schließlich für mindestens drei Wochen ausreichen, idealerweise sogar für vier Wochen.
Dabei ist uns wichtig, eine ausgewogene, vitaminreiche und gesunde Ernährung sicherzustellen. Mit drei Kühlschränken und einem Gefrierfach an Bord ist dies heutzutage auch problemlos möglich. Heute muss kein Seefahrer mehr Skorbut erleiden.
Gesunde Ernährung on-board war mir von Anfang an sehr wichtig, also habe ich mich intensiv damit befasst.
Meine wichtigsten Learnings bisher:
- Ungekühltes Gemüse kaufen
Wenn möglich und vor Ort verfügbar, ungekühltes Gemüse on-board nehmen. Das hält länger frisch, wohingegen gekühlte Ware schneller verdirbt. Das ist insbesondere wichtig, wenn kein Platz für die Lagerung im Kühlfach ist.
Das ist oft gar nicht so einfach vor Ort zu finden. Den in Supermärkten ist es üblich das Gemüse kühl gelagert wird. Das gilt sogar für lagerfähiges Gemüse wie Äpfel oder Karotten. In Las Palmas bin in einem kleinen BIO-Supermarkt fündig geworden, der täglich
und direkt sein Gemüse von der eigenen Farm erhält, und auch im Geschäft Gemüse nicht kühl lagert – da musste ich aber ganz schön suchen. Das BIO-Siegel ist keine Garantie für ungekühltes Gemüse, auch nicht im größten BIO-Markt Las Palmas (der für deutsche
Verhältnisse eher klein ist) dem Spar Natural wird jegliches Gemüse kühl gelagert.
- Unterscheidung bei der Lagerung
Um die Haltbarkeit von Gemüse und Obst zu verlängern, habe ich einige Tipps und Tricks von erfahrenden Seglern umgesetzt.
Lagerung in offenen, luftigen Körben:
Offene, luftige Körbe ermöglichen eine bessere Zirkulation und verlängern die Haltbarkeit von Gemüse. So lagern wir Tomaten, Mangos, Papayas, Äpfel, Kürbis, Kohl offen und luftig in Körben.
Karotten, Zucchini, Paprika, Kartoffeln, Süßkartoffeln finden ebenfalls Platz in offenen Körben. Um die Haltbarkeit zu verlängern, habe ich diese aber noch einzeln in Küchenpapier eingewickelt. Das verlängert die Haltbarkeit um mindestens 1-2 Wochen.
Lagerung in Obstnetzen auf dem Deck:
Gemüse, das im Obstnetz aufbewahrt werden kann, muss nicht gekühlt werden. Bei uns findet deshalb Bananen, Avocados, Zitrones, Zwiebeln, Knoblauch, Rote Beete (in Folie gewickelt) Platz im Obstnetz auf dem Deck.
Lagerung im Kühlfach:
Das begrenzte Platzangebot im Kühlschrank erfordert eine gezielte Planung. Bei uns finden sich deshalb nur geringe Mengen einzelner Gemüse im Kühlschrank wie einige Avocados, Paprikaschoten, Karotten und Zucchini. Wichtig ist besonders die kühle Lagerung
von Salaten, um auch noch in der zweiten Woche davon zu profitieren.
- Überwachung und regelmäßige Kontrolle
Um Verderb zu verhindern, kontrolliere ich die Frische aller unserer Vorräte regelmäßig. Wenn ich überreifes Gemüse finde, verarbeite ich es kreativ. So habe ich aus den überreifen Paprika, Antipasti hergestellt, das sich über viele Tage im Kühlschrank
hält.
Bilanz nach einer Woche
Nach nunmehr fast einer Woche sind die meisten unserer Vorräte noch frisch und haltbar, abgesehen von den beiden Paprikaschoten. Den Verlust kann können wir verschmerzen.
Es weihnachtet auf der Vitamin Sea
Obwohl wir permanent Sonne haben und konstante Temperaturen um die 28 Grad, verbreitet Anna Weihnachtsstimmung. Sie backt die ersten Zimtsterne und trällert dabei Mariah Careys "All I Want for Christmas Is You“. Das sorgt bei uns allen
an Bord für weihnachtliche Atmosphäre. Komisch ist das schon, aber die Kekse schmecken göttlich – auch in der Sonne.
Kurswechsel gen Westen
Am frühen Nachmittag ist es Zeit unseren Kurs Richtung Westen zu ändern. Denn bei uns „schmilzt nun sprichwörtlich die Butter“. Also aben wir die Segel neu gesetzt und nehmen ab sofort direkten Kurs auf St. Lucia bei 270 Grad.
Diesmal helfen Anna und ich Peter bei dem Vorhaben. Ziel ist es den Wingaker von der Steuerboard auf die Backboard-Seite zu ziehen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit einem verhakten Seil verläuft der zweite Versuch reibungslos, und wir haben den Wingaker
in kurzer Zeit auf die andere Seite verlagert.
Endlich Delphine
Kurz vor Sonnenuntergang mache ich eine Pause auf dem Vorderdeck, genieße den Blick in den Himmel und der so langsam untergehenden Sonne. Plötzlich tummeln sich Delfine direkt vor unserer Lagoon - ein ganzer Schwarm schwimmt direkt vor
uns und begleitet uns für etwa 20 Minuten. Große und kleine Delphine, eine ganze Familie, tanzen vor uns und erfüllen die Abendstimmung mit Freude.
Ein Familien-Filmabend
Um den Abend ausklingen zu lassen, schlägt Nicolas ein Filmabend vor. Gesagt, getan, er baut unsere Leinwand auf, Peter installiert den Projektor und los geht’s, wie im Kino auf dem Achterdeck. Toller Ton, großes Bild, rauschendes Meer
im Hintergrund. Unser portables Cockpit auf dem iPad ist stets im Blick. So genießen wir sehr heimelig im Familienkino den Abend. Dann geht’s zumindest für mich ins Bett, denn ich muss schließlich um 3 Uhr morgens fit am Steuerstand stehen.
So geht ein weiterer erfüllter Tag auf der Vitamin Sea zu Ende,
Kulinarisches Tag 6:
- Mittagessen: Frisch gebackenes Brot mit Käse, Schinken, Oliven und Antipasti
- Abendessen: Spagetti mit Tomatensauce, nach „Uwe`s“ Art