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Destiny - Dinner bei Alofi



Kaum hatten wir an der Boje im Puerto del Refugio vor Neiafu festgemacht, da war Alofi in seinem Ruderboot schon an unserer Seite. Er bot uns geschnitzte Masken aus ganz hartem Holz an, Schmuck aus Walfischzahn, frisches Brot zum Frühstück, Wäsche waschen durch seine Tochter, Auffüllen der Gasflaschen und was an Bord noch dringend gebraucht wird. Um nicht gleich abgewiesen zu werden, kam er mit seinen überdimensional großen Füssen vorsorglich gleich an Bord. Wir durften uns in seine Referenzbücher eintragen "er hatte gleich zwei zur Verfügung" und als ganz besonderen Service bot er uns an, ein Hummeressen für uns zu organisieren. Seine Schilderung klang ganz gut und wir freuten uns auf ein Hummeressen am folgenden Abend. Auch der Preis schien uns nicht überzogen und lag nach Informationen in anderen Restaurants in Neiafu nur wenig darüber.

Lisa, Sandro und Max von der "Lady Lisa" erzählten wir von unserem Vorhaben und als Alofi auch ihnen vorschlug, ein Hummeressen zu organisieren, willigten sie ein, sich uns anzuschließen. Wir hatten uns mit Alofi im kleinen Fischerhafen verabredet, wo er auch pünktlich erschien. In ein abenteuerliches Bustaxi gepfercht, brachte er uns zu unser aller Erstaunen nicht in eines der schönen Restaurants, sondern zu sich nach Hause, wo wir zunächst von zwei sudeligen Schweinen auf der Straße begrüßt wurden.

Über eine ca. 50 cm hohe Barriere, um die Schweine draußen zu halten, kletterten wir, uns gegenseitig haltend, in den glitschigen "Vorgarten". Nein, ein Vorgarten war das nicht, eigentlich nur ein sudeliger Dreck, es hatte ja am Vortag kräftig geregnet. Freudig wurden wir von den Hunden begrüßt. Über eine weitere Barriere ging es ins Haus und hier am Eingang mussten nun die Schuhe bleiben. Nein, sonderlich dreckig war der Boden nicht, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, auf dem feuchten Boden nur auf den Außenkanten der Füße laufen zu müssen. Gleich der erste Raum nach dem Eingang war die Küche, die schon zum Kehrtmachen mahnte. Wuselig um uns herum tollten 3 oder 4 kleine Kinder. Wir folgten jedoch mutig Alofi ins nächste Zimmer, das hauptsächlich durch einen laufenden Fernseher beleuchtet wurde. Die Lamellenfenster waren geöffnet, an deren Ränder große Lappen hingen, die vom Schmutz schwer nach unten gezogen wurden. Aber die offenen Fenster sorgen wenigstens für eine angenehme Durchlüftung und dadurch war es auch nicht so heiß und dämpfig im Raum. Durch das ganz Zimmer lag ein ehemals weißes Tischtuch auf dem Boden, auf dem unser reichhaltiges Buffet aufgebaut war: 3 noch in Folie verpackte riesige Hummer, eine große Schüssel mit gebratenem Fisch, eine mit gebratenen halben Hühnchen und eine mit gebratenem Schweinefleisch. Dazu zwei große Teller mit fritierter Brotfrucht und zwei Schüsseln mit kleinen gelben Stücken in einer grauen Pampe. Um das prachtvolle Buffet lag für jeden von uns ein alter Steingutteller "das gute Geschirr stand an der Seite im Regal" sowie je eine Plastikgabel und ein Plastiklöffel.

Für die Katzen des Hauses roch das Essen ganz vorzüglich und sie schlichen um die noch mit Plastikfolie abgedeckten Schüsseln. Alofi forderte uns auf, auf dem Boden Platz zu nehmen. Wohin nur mit den Beinen und erst mit den Füssen, die eben noch im Dreck gesteckt hatten viel Platz war nicht. Und wie soll das Essen schmecken, wenn man schon die dicht davor aufgebauten eigenen Füße nicht riechen mag. Alofi saß am Kopf der Fußbodentafel, sprach das Tischgebet, nahm den ersten Hummer, brach ihn mit seinen großen, dunklen Händen auseinander (hatte er sie heute schon mal gewaschen? Vor dem Essen jedenfalls nicht!) und pulte das weiße Hummerfleisch in großen Stücken aus der Schale. Wie esse ich wohl so große Stücke, wenn ich nur eine Gabel und einen Löffel habe? Natürlich, ich nehme meine Finger, die eben noch zum Hinsetzen den Fußboden angefaßt hatten - guten Appetit!

Von den Schüsseln wurden die Folien entfernt, was die Katzen veranlasste, wie wild durch das Zimmer zu toben, durch die offenen Fenster nach draussen und wieder reinzuspringen. Um uns herum quirlten die Kinder, die zunächst noch recht still waren, aber später immer nachdrücklicher darauf lauerten, dass wir endlich mit dem Essen fertig würden, um sich selbst auf die Reste zu stürzen. Hummerfleisch ist trocken, Brotfrucht ebenfalls jeder Bissen wurde von einer Backenseite auf die andere geschoben, zu trinken gab es nichts. Bis wir Alofi endlich überreden konnten, etwas Bier für uns zu holen. Tatsächlich brachte er relativ schnell - wir waren gerade mit dem Essen fertig - für jeden eine Flasche warmes Bier. Ganz geheimnisvoll kündigte er uns noch typisches Tongabier an. Dazu wurde eine große runde Vielzweckschüssel auf den Boden gestellt. Irgendwoher brachte ein Kind einen dreckigen Eimer, aus dem eine dunkle, trübe Brühe in die Schüssel gegossen wurde.

Alofi rührte die Brühe mit seinen großen, dunklen Händen mehrmals um und schöpfte dann das Bier mit einer kleinen Schale, die er mehrfach genussvoll austrank. Die Männer durften aus der gleichen Schale ebenfalls trinken, wir Frauen hielten uns diskret zurück. Noch während die Schale kreiste, wurde die Tafel von den Kindern abgeräumt, die sich dann auf die reichhaltigen Reste stürzten - es war ein Festessen für Kinder, Katzen und Hunde.

Wenn man bedenkt, dass wir in jedem Restaurant von Neiafu für deutlich weniger Geld, bequem an einem sauber gedeckten Tisch in angeregter Unterhaltung hätten sitzen können, zum köstlichen Hummer noch eine Scheibe Zitrone erhalten hätten und natürlich auch ein kühles Getränk, so war dies wohl unser finanzieller Beitrag zur Entwicklungshilfe in Tonga.


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